Chronik des DJC – 1897 bis 1919

Von Segeln bewegte Seeschiffe sind erstmals vor 3 000 Jahren in der Literatur erwähnt worden. Sportliches Segeln in Europa begann vor etwa 350 Jahren in den Niederlanden; von dort kommt die älteste europäische Bezeichnung für Sportsegelboote „Yacht“. Bereits 1661 soll die erste Segelregatta in England ausgetragen worden sein.

Wir beschränken uns in unserer Chronik auf die Geschichte des Segelsports in den vergangenen hundert Jahren auf den Gewässern Berlins und seiner Umgebung, wie sie sich für den kleinen Kreis der im DJC vereinten Segelsportler darstellt.

1897 – 1919

Die Anfänge des Segelsports liegen in den siebziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts auf dem Wannsee und auf dem Rummelsburger See, dem damaligen Wassersport- und Erholungszentrum des Ostens. Zahlreiche Schrebergärtner hatten dort ihre Ruderjollen und Angelkähne.

In einer ersten Chronik des DJC heißt es dazu:

„Auf einigen dieser Ruderjollen wiegte ein ziemlich kräftiger Mast hin und her, der sogar zuweilen durch ein Want versteift war. An schönen Sommerabenden und Sonntagen kamen die Kolonisten von ‚Sperlingslust‘, ‚Rosenkolonie‘ und ‚Schwanenberg‘ aus ihren schon früher bestehenden ‚Wochenendhäuschen‘ heraus, der Klüver am Bug der Jolle wurde festgeschraubt, die Segelpinne aufgesetzt, getakelt und gesegelt – gesegelt, so lange es Wind und Wetter und – die damals schon durch einen kleinen Nebenberuf getrübte freie Zeit – es zuließen. So wurden segelnder Weise der Rummelsburger See, die Liebes-, die Kratzbruchinsel und die Abtei umgondelt oder bis Eierhäuschen oder gar bis zur ersten Nieder-Schöneweider Brücke gefahren. Aber selbst das Segeln an den damals noch schönen Ufern der Spree und des Sees entlang wurde langweilig; das machten ja schon die Jungen in Vaters Abwesenheit und – mit oder ohne – Mutters Erlaubnis. Waren gar die Segel verschlossen, dann ging es auch mit einer Fahne oder mit Mutters Kaffeedecke. Die Älteren mussten schon mehr Abwechslung haben. Auf dem Wasser fanden sich Gleichgesinnte zusammen, man verabredete, sich bei Restaurant Neu-Seeland zu treffen, als Ziel die Liebesinsel zu ersegeln und dem letzten dort eintreffenden Bootsbesitzer eine ‚Lage‘ aufzuhalsen. Wer verlor oder beinahe daran war zu bezahlen, versuchte durch alle möglichen und unmöglichen Änderungen seines Bootes und Segels einen anderen am nächsten Sonntag zum ‚Dummen‘ zu machen. So manche Ehehälfte konnte ihren Mann vom vielen Matchen in gehobener Stimmung beim Mittagessen begrüßen. Beim Stelldichein auf der Liebesinsel war schon oft bei einem Glase Bier der Wunsch laut geworden, dieses lose Band der um die Wette segelnden Stralauer fester zu knüpfen. Da wurde am Ende des Sommers verabredet, sich am 25. September 1897 im Restaurant Schonert, Neu-Seeland, zur Gründung eines Seglervereins einzufinden. An dem genannten Tage wurde das Kind, der ‚Berliner Jollen-Club‘, aus der Stralauer Wasserwiege gehoben“.

Initiator war Herr Ehrentraut zusammen mit zehn Gründungsmitgliedern. Sie nahmen auf seinen Vorschlag hin Clubnamen und -Stander an, ebenso die erste Vereinssatzung. Darin heißt es: „Der Berliner Jollen-Club (BJC) bezweckt die Pflege des Segelsports und der Geselligkeit“. Und weiter, bezogen auf den Namen: „Boote über 8 qm in der Wasserlinie werden im BJC nicht registriert“. Zum ersten Vorsitzenden wurde Kamerad Stiller gewählt.

Das Eintrittsgeld betrug zwei Mark, der Monatsbeitrag 50 Pfennige. Dies gibt einen ersten Hinweis auf die soziale Struktur des Berliner Jollen-Clubs. Seine Mitglieder waren kleine Handwerker und Angestellte aus dem Berliner Südosten. Über Jahrzehnte blieb der BJC eine kleine, finanziell nicht gerade gutgestellte Gemeinschaft. Der BJC war seinerzeit der elfte Segelverein im weiteren Berliner Revier, im eigentlichen Stadtrevier erst der fünfte. Die Eintragung ins Vereinsregister erfolgte beim Amtsgericht Lichtenberg unter dem Aktenzeichen VR 19. Damit vollzogen die Vereinspioniere endgültig den Schritt vom Schrebergärtner zum Segelsportler.

Getreu     seiner     Satzung     veranstaltete     der BJC bereits im ersten Jahr seines Bestehens zunächst ein Wintervergnügen und – bei einem Startgeld von 1,50 Mark sowie einem Zuschuss von 20 Mark aus der Vereinskasse – am 19. Mai 1898 seine erste Regatta auf dem Rummelsburger See. Gestartet wurde in zwei Gruppen; es gewannen die Yachten „Alma“ und „Margarethe“. Die Zeitung „Der Wassersport“ schrieb damals in ihrer Ausgabe 20/98 anerkennend, „…dass die Jollen des BJC vortrefflich geführt wurden“.

Regattasegeln galt bereits in diesen Anfangsjahren des BJC als Hauptaktivität. Vor jeder Wettfahrt vergebene Handicaps führten jedoch schon damals zu gewissen Unstimmigkeiten. Offenkundig war der Ehrgeiz der Regattasegler in diesen frühen Jahren so groß, dass es vor jedem Start in langen sowie heftigen Steuermannsbesprechungen Streit um Vorgaben und Handicaps gab. Grundlage für diese Wettfahrten war die so genannte Ahoi-(Ausgleichs-)-Tabelle. Andererseits konnten Boote auch vor Anker liegend starten, das heißt, nach dem Startsignal setzte man Segel, lichtete den Anker und nahm so schnell wie möglich Fahrt auf -erste Schulung zur Verbesserung der Seemannschaft. Bereits in dieser Zeit war die Rede von Abwerbung erfolgreicher Segler und unverhältnismäßig hohen Startgeldern.

Regattasegeln nahm man schon seinerzeit sehr ernst.

Anhänger gewann in den BJC-Anfängen auch das Fahrtensegeln. Die erste „urkundliche Erwähnung“ des BJC außerhalb Berlins fand sich in Teupitz. Am 22. August 1898, zehn Monate nach der Clubgründung, schrieben sich die Ehepaare Apel und Dittmer als BJC-Segler in das Gästebuch der Gaststätte „Zum goldenen Anker“ ein. Ein Jahr später gingen dort die Kameraden Bartsch und Stengel mit ihrer Yacht „Aegir“ vor Anker. Ins Gästebuch trugen sie sich samt Foto ein – als Angler: Der Beginn des „Ausgleichssports“ im BJC.

Zehn Jahre nach der Gründung hatte der BJC seine erste ernsthafte Krise zu überstehen. Sie resultierte aus dem Versuch, durch großzügige Mitgliederwerbung bei gleichzeitiger Beitragserhöhung die Vereinskasse auffüllen zu wollen. So veranstaltete man aus Anlass des zehnten Stiftungsfestes eine Regatta, bei der jeder Teilnehmer einen Preis erhielt. Potentielle Mitglieder bekamen Einladungen zu einem großzügigen Festessen im „Alten Fritz“ am Stralauer Tor und zum Eisbeinessen im „Deutschen Hof“ am Görlitzer Bahnhof. Doch danach war das Loch in der Kasse noch größer. Wegen der zum 10. Jubiläum im Jahre 1907 dafür erforderlichen Umlage von 20 Mark verließen 13 Mitglieder den Verein. Nur acht zahlten den Betrag und hielten dem Club die Treue.

1900 wählten die Mitglieder den Kameraden Emil Goldbeck zum 1. Vorsitzenden. In den elf Jahren seiner umsichtigen Amtsführung nahm der Verein einen ersten großen Aufschwung. 1909 folgte eine neue Satzung, die Boote bis zu einer Fläche „von 9 qm in der Wasserlinie“ zuließ. Mit ihr ließ sich der Club am 4. Februar 1910 beim Amtsgericht Charlottenburg in das Vereinsregister eintragen, veröffentlicht auf Blatt 45 der Registerakten unter VR 1071. In diesem Jahr hatte der Verein bereits 30 Mitglieder. Regattasegeln bestimmte die weitere BJC-Geschichte. Weil der Rummelsburger See dafür keine fairen Bedingungen mehr bot, trug der Verein schon seit dem zweiten Jahr seines Bestehens Regatten auf dem Langen See und dem Seddinsee aus. Diese Wettfahrten schrieb man seit 1903 auch offen aus. 1902 sollte dann erstmals auch eine Wettfahrt auf dem Müggelsee stattfinden. Es bedurfte immerhin acht ( ! ) Versammlungen der Regattasegler vor dem mutigen Entschluss, auf diesem großen See zu segeln. Von 1910 an startete der Verein seine Regatten nur noch auf dem Seddinsee beziehungsweise Langen See. Ein Motorboot beziehungsweise Dampfer nahm die Teilnehmer in Schlepp und brachte sie zusammen mit Begleitern und interessierten Zuschauern zur Regattabahn. An diesen Seen hatten viele „Jollenbrüder“, wie sie sich nannten, bereits Liegeplätze für ihre Boote gemietet. Hinzu kamen alle Jahre Dampfer- oder Motorbootausflüge für Mitglieder und Angehörige nach Schmöckwitz, Zeuthen und Klein-Köris; sie verstärkten die Sehnsucht nach einer neuen Heimat des Vereins. Außerdem hofften die Fahrtensegler auf größere Nähe zu ihren Zielen an der Schmölde und in Teupitz. Letztlich wollte man außerdem der Stadtnähe und der Berufsschifffahrt auf dem Rummelsburger See entkommen.

Eine Mitglieder-Kommission sah sich nach Liegeplätzen mit passenden Unterkünften an der Dahme im Südosten Berlins um. Schließlich mietete der BJC 1910 im Restaurant „Richtershorn“ in Karolinenhof am Langen See einen bescheidenen Kellerraum und Bootsstände. Es blieb nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum eigenen Clubgelände. Dieses Ziel erreichte man allerdings erst zehn Jahre später.

In dieser Zeit setzten erste Versuche ein, den BJC zum Beitritt in eine Dachorganisation der Segler zu bewegen, entweder in den Deutschen Segler Verband oder in die 1909 gegründete Wettsegelvereinigung der Berliner Jollensegler. Die Jollenbrüder verhielten sich jedoch abwartend. Um die Jahreswende 1911/1912 gab es Bestrebungen, zunächst nur die an der Oberspree beheimateten Vereine zusammenzuschließen. Sie verfügten größtenteils nur über Boote für Ausgleichswett- und Wanderfahrten. So gründete man am 30. März 1912 unter Federführung des SC Oberspree und dessen Vorsitzenden Robert Höfer sowie intensiver Mitwirkung des BJC mit seinem Vorsitzenden Wilhelm Freyer den Deutschen Segler Bund (DSB), um, wie es in der Satzung hieß, „volkstümliches Segeln zu betreiben“. Zu den zwölf Gründungsmitgliedern aus Berlin und Hamburg gehörte auch der BJC. Fortan beteiligten sich seine Mitglieder vornehmlich an Bundesregatten auf der Dahme, Tegeler See und Müggelsee. Clubmitglied Dr. Martin Riekkenburg war Anfang der zwanziger Jahre Vorsitzender des Deutschen Segler Bundes, anschließend für kurze Zeit auch Kamerad Carl Dreblow. Andere Kameraden wie Buchmann und Stephan wirkten als Vorsitzende von DSB-Kommissionen.

In diese Zeit fiel der Beginn einer langjährigen Freundschaft mit dem Verein Berliner Segler, ebenfalls Mitglied im DSB. Ausdruck dafür waren gemeinsame Wanderfahrten und Regatten, für die die Vereine wechselseitig Wanderpreise stifteten. Fortan feierte man gemeinsam Stiftungs- und andere Feste.

In Karolinenhof überlebte der BJC den Ersten Weltkrieg, der große Lücken in die Mitgliederschaft riss. Die feste Kameradschaft der Jollenbrüder ließ den Club jedoch auch in dieser schweren Zeit weiter bestehen. Zum Gedenken an die im Krieg gefallenen Mitglieder stiftete er 1919 einen alljährlich auszusegelnden Friedens-Wanderpreis, der 1922 innerhalb des BJC seinen endgültigen Gewinner fand.